1993 - Kein Asyl

93 Berliner Compagnie Kein Asyl Alfons Kujat + Lee Gates

Eine Nacht im Leben des Äthiopischen Flüchtlings Jonas Gamta

1993 Im Januar und Februar nehmen wir an von "SOS-Rassismus" organisierten Schutzwachen vor Flüchtlingsheimen teil. Was wir in Spandau, in Falkenrede und in Rangsdorf erleben: einen Anschlag von Rechten, Auseinandersetzungen innerhalb der Schützer, die Heirat einer Autonomen mit einem Schwarzen, die Freundschaft zwischen einem Äthiopier und einem Skinhead, aber auch der zu dieser Zeit betriebene sog. Asylkompromiß - all das wandert in das nächste Stück ein: KEIN ASYL. Eine Nacht im Leben des Flüchtlings Jonas Gamta. (Regie: Elke Schuster). Ein Schwarzer steht da auf der Bühne (gespielt vom Mozambiquaner Jose Francisco), ein Skin, eine Autonome, ein 68er Studienrat, ein Hausmeister. Mit 10 Songs ist das Stück fast ein Musical und findet vor allem bei jugendlichem Publikum starken Anklang. Wir spielen es unter anderem im Düsseldorfer Schauspielhaus, im Sommer 2000 auch auf der Expo in Hannover. 28 Vorstellungen kommen allein im Jahr 2001 noch zustande. Zehn Jahre läuft es mittlerweile und wird immer noch verlangt. Oft werden wir in die neuen Bundesländer, in Schulen, eingeladen. Da sitzen dann ca. 400 Schüler vor uns, unter ihnen vielleicht fünfzig oder hundert Rechte. Es gibt Aufführungen, die zu regelrechten Kämpfen werden. Einmal entgleitet uns das Publikum, wird der Protest und der Lärm der Rechten ohrenbetäubend, dann wieder wird es ganz still. Schweißtreibende Aufführungen für uns. Aber wir haben das Gefühl, mit dem Stück am richtigen Ort zu sein.

Ungefährlich ist es allerdings nicht für einen schwarzen Schauspieler im Osten. Immer wieder muss Jose erleben, dass er angepöbelt wird. Zum Glück ist einer unserer Schauspieler, Alfons Kujat, ein Hüne und in seiner Jugend im Boxen Juniormeister von Niedersachsen gewesen. Das ist hilfreich. Aber auch Elke Schuster hat keine Angst. Einmal tritt sie mitten in eine Gruppe Neonazis, aus der heraus Jose gerade beschimpft worden ist, und stellt sie heftig zur Rede.

Manche Veranstalter finden unser Plakat zu provokativ. Es zeigt das Brandenburger Tor, mit fünf Gehenkten als Säulen. Über dem Titel KEIN ASYL steht "Im Namen des Volkes". Wie viele mögen es sein, die durch die neue deutsche Asylgesetzgebung gehindert wurden, sich zu retten und die inzwischen erschossen, aufgehängt oder geköpft worden sind? Hunderte? Tausende? Auf jeden Fall mehr als die fünf auf dem Plakat.

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